Ein Mitbürger geht mit Tatkraft voran
Kommt sie nun oder nicht, die Energiewende, und wenn ja, was wird es mich kosten? Das fragen sich heute viele, die die verwirrenden Nachrichten um veränderte Einspeisevergütungen und steigende Strompreise nicht mehr nachvollziehen können.
Dabei gibt es immer wieder Menschen, die vormachen, wie man die Energiewende in die eigenen Hände nehmen kann, ohne auf Gesetze aus Berlin oder Verordnungen aus Brüssel warten zu müssen. Einen sehr interessanten Vertreter dieser Art haben wir in Heidelbergs Emmertsgrund kennen gelernt. Dort wohnt, in einem der großen Wohnblocks, die die Rheinebene überblicken, Leo Hessel.
Vor 15 Jahren ist er aus Russland nach Deutschland gekommen. An der Universität Novosibirsk hat er Elektroingenieurswesen studiert und jahrelang in diesem Beruf gearbeitet. Allerdings hat ihm dies hier nicht viel genützt, denn der Abschluss wurde nicht anerkannt. So arbeitet er hier als Staplerfahrer in der Odenwald-Chemie. Über die Verschwendung von Fachkompetenz in Zeiten von Fachkräftemangel könnte man an diesem Beispiel einen Extrabericht schreiben.
Denn dass er von seinen Fähigkeiten nichts eingebüßt hat, konnte man in seiner Wohnung eindrucksvoll nachvollziehen. Das Wohnzimmer ist eine Mischung aus Wohnraum, Elektrowerkstatt und Elektroniklabor. Denn seit die vier Kinder aus dem Haus sind kann er sich verstärkt seiner Aufgabe widmen: Der Energiewende aus eigener Hand.
Erster Schritt war die Energieeinsparung. Die Entsorgung von Stromfressern a la Wäschetrockner und das abschalten von Stand by benötigt noch keine speziellen Fachkenntnisse sondern nur das Wissen, wie sehr sich diese auf Verbrauch und Stromrechnung auswirken. Die Umrüstung der kompletten Beleuchtung auf LED war da schon eine größere Herausforderung, denn es wurden nicht neue Lampen gekauft, sondern in vorhandene die extrem sparsamen Leuchtkörper eingebaut. Der Effekt ist, dass er heute seine gesamte Wohnung mit 75 Watt beleuchten kann und das mit großer Helligkeit.
Zweiter Schritt war die eigene Energieerzeugung mittels Fotovoltaik. Sein Balkonkraftwerk besteht aus vier Modulen, die an der Brüstung seines Balkons angebracht sind. Auch der Rest der Anlage, wie Wechselrichter und Steuerung findet an der Wand des Balkon Platz. Die modernen Module neuster Bauart leisten im Betrieb 1 kw pro Stunde (1,5 kw/p). Zusammen mit den Batterien, die 2 kw speichern können ist er damit so gut wie autark. Als Fachmann hat er die Anlage natürlich selbst gebaut und obwohl er sehr hochwertige Materialien verbaut hat, hat ihn die Anlage unter 2000.-€ gekostet. Und das obwohl er als echter Ingenieur natürlich noch einige Extras eingebaut hat – wie einen Wlan-Anschluss, der ihm die Daten jedes Moduls seiner Anlage permanent auf seinen Rechner überträgt – die der Normalverbraucher nicht unbedingt braucht.
Doch damit ist Herr Hessel noch lange nicht am Ende. Schon gibt es Pläne die Anlage im kommenden Frühjahr nochmals umzugestalten. Statt der Markise, die sein Wohnzimmer vor allzu intensiver Sonnenbestrahlung schützte, werden im nächsten Jahr weitere Module installiert, die sensorgesteuert dann ausklappen, wenn die Sonne günstig steht und dann einen doppelten Nutzen haben – Sonnenschutz und Stromproduktion.
Weitere Gedanken hat er sich über das Wärmeproblem gemacht. Denn eigentlich funktionieren Fotovoltaikmodule dann am besten wenn sie kühl sind, aber bei intensiver Sonneneinstrahlung erhitzen sie sich ganz erheblich. Daher hat er eines seiner Module mit einer Modifikation ausgerüstet, bei der er mittels flüssigkeitsgefüllter Alurohre an der Rückseite die „Abwärme“ abführen will, um sie für eine Klimaanlage zu nutzen, die ihm dann die Räume kühlt, wenn es draußen am heißesten ist. Nächstes Jahr soll der Probebetrieb beginnen und wenn die Idee umsetzbar ist, sollen auch die anderen Module nachgerüstet werden. Nach seinen Berechnungen kann er eine 2 kw-Klimaanlage alleine mit der Wärme betreiben, die sonst ungenutzt verpufft und die Leistungsfähigkeit seiner Fotovoltaikanlage schmälert.
Leo Hessel ist die Energiewende ein persönliches Anliegen, das haben wir in unserem intensiven Gespräch erfahren. Denn er hat sich in den vergangenen Jahren nicht nur mit seinem persönlichen Energieverbrauch auseinandergesetzt, sondern auch mit der Frage wohin wir als Gesellschaft steuern, wenn wir weiter auf konventionelle Energieträger setzen. Die Antwort ist für ihn klar und deshalb ist er aktiv geworden.
Aus dem Antrieb heraus, seine Fachkompetenz nicht nur für sich selbst zu nutzen, hat er sich an uns gewandt. Denn er steht jedem, der seine energetische Zukunft selbst in die Hand nehmen will gerne mit Rat und Tat beiseite (Kontakt: über die Grünen Leimen, Tel.: 06224 80434).
Wenn man dann beim Verlassen des großen Wohnblocks die vielen Balkone sieht von denen ein einsamer mit Modulen bestückt ist, dann weiß man zum Einen, dass noch ein weiter Weg vor uns liegt, zum Anderen aber, dass es Menschen mit der nötigen Motivation gibt, ihn zu gehen.
Autor: Ralf Frühwirt