Sehr geehrte Damen und Herren,
wie fängt man eine Rede zu einem Haushalt an, der einem so wenig Spielraum lässt, wie ihn ein Zug auf der Schiene hat? Nun vielleicht am ehesten mit einem einprägsamen Bild, wie etwa dem eines Zuges, der ohne große Alternativen auf einem vorgegebenen Gleis Richtung Zukunft fährt. Da lässt sich viel draus machen, etwa indem man beschreibt, wie der Lokführer… aber lassen wir das vielleicht für heute. Oder wie die gemeinderätlichen Hilfsheizer mal hier eine Notbremse ziehen, mal dort ein wenig Sand vor die Räder streuen ohne große Effekte zu erzielen. Oder die mehr oder weniger geduldigen Passagiere des Leimen-Express, die mitansehen müssen wie nach und nach alle Gesellschaftswagen abgekoppelt werden, bis am Ende nur noch die Holzklasse übrig ist, und die sich fragen ob ein neuer Lokführer im nächsten Jahr das Ganze wirklich auf ein neues Gleis setzen kann.
Schließlich kann man Blicke in die Zukunft wagen und darüber spekulieren, wie das Ganze wohl enden wird. Rast man dem Abgrund entgegen, trudelt man am nächsten mühsamen Anstieg, wenn das Gelände etwas rauer wird erschöpft aus, koppelt man sich gar irgendwann freiwillig an einen stärkeren Zug an oder wird man gar von den Wegelagerern des RP übernommen? Oder gelingt es uns tatsächlich bevor die letzten Kohlen verfeuert sind ein paar Weichen richtig zu stellen und wieder ordentlich Fahrt aufzunehmen?
An dieser Stelle sollte ich am besten einige Minuten Pause machen, um allen Modelleisenbahnenthusiasten, WildWest-Fans und Schönste-Eisenbahnstrecken-Deutschlands-Gucker die Möglichkeit zu geben ein wenig in ihren Phantasien zu schwelgen, aber ich fürchte, es würde mir wieder einmal nicht gedankt werden.
Also zur Sache. Das Problem einer Kommune, die finanziell auf die schiefe Bahn geraten ist, ist ähnlich dem eines Zuges, der mit hoher Geschwindigkeit unterwegs ist, die Richtung lässt sich nur sehr langsam ändern und Bremsmanöver dauern sehr lange. Das merken wir hier in Leimen deutlich. Natürlich zeigen die vielen Runden der Haushaltsstrukturkommission Wirkung und die Entwicklung unserer Wirkungsziele und Leistungsziele auf unseren Strategieklausuren wird langfristig positive Effekte haben – wenn wir uns denn im alltäglichen Politikgeschäft daran halten. Und auch wenn das geschieht und alle diszipliniert auf der Schiene bleiben, so darf man nicht außer Acht lassen, dass sich manche unserer Ziele miteinander beißen – oder zumindest das Potential haben das zu tun. Ich will das nur an einem Beispiel ausführen. Ziel Nummer eins ist das Erreichen einer finanzwirtschaftlichen Stabilität mit schwarzer Null und Schuldenabbau. Ziel Nummer zwei ist ein ausreichendes Bildungsangebot für alle Einwohner Leimens unter Berücksichtigung von Schularten, Schulstandorten und Erwachsenenbildung. Es baucht nicht viel Phantasie hier einen potentiellen Konflikt zu erahnen, denn dem Einen ist vielleicht die schwarze Null höchstes Ziel, die mit reichlich Investitionen ins Schulsystem in weite Ferne rückt, der andere argumentiert, dass uns ohne gute Schulen gerade die Klientel den Rücken kehrt, die durch hohe Einkommen überdurchschnittlich zu unserem Einkommenssteueranteil beitragen.
Der Einkommenssteueranteil der Gemeinde ist nebenbei bemerkt die zweitgrößte Einnahmequelle der Stadt nach den Schlüsselzuweisungen des Landes. Weit mehr als Gewerbesteuer und Grundsteuern zusammen und für deutlich mehr als 20% der Einnahmen des Verwaltungshaushaltes zuständig. Also eine Größe, die man nicht vernachlässigen sollte, egal ob man die schwarze Null über alles andere setzt oder ins Schulsystem investieren will. Vielleicht wäre es keine schlechte Idee sich bei einer nächsten Runde einer Haushaltsstrukturkommission darüber zu unterhalten welche Einflüsse welche Maßnahmen einer Kommune auf Einnahmeblöcke wie den Einkommenssteueranteil, die Gewerbesteuer oder die Grundsteuern haben.
Denn die Einnahmesituation zu verbessern würde ohne Zweifel etwas dringend benötigten Dampf in den Kessel unserer schwächelnden Lok bringen, nachdem wir uns bisher vor allem damit beschäftigt haben Ballast abzuwerfen oder gar ganze Wagen abzuhängen. Natürlich schadet es nie, hin und wieder die staubigeren Winkel des Gepäckwagens zu durchstöbern. So manches kommt dabei zum Vorschein, das man nur noch aus Gewohnheit mit sich herum schleppt. Aber mittlerweile müssen wir uns auch eingestehen, dass unsere dauernden Durchsuchungen immer weniger zutage fördern, auf das man ohne spürbare Verluste verzichten kann.
Und das Abhängen ganzer Wagen, also die Aufgabe freiwilliger Leistungen wie Musikschule oder VHS, oder die Beschneidung von Pflichtaufgaben, wie die Aufgabe von Schulstandorten oder die Verkürzung von ÖPNV-Linien, wird uns nicht attraktiver machen. Neue Passagiere gewinnen wir damit nicht hinzu, besonders, wenn es ausreichend Konkurrenzlinien gibt. Damit sind wir wieder bei dem Dilemma, das ich in meiner letztjährigen Rede ausführlicher dargestellt habe. Sie haben meine Worte sicher noch genau im Ohr. Für den unwahrscheinlichen Fall dass nicht, hier noch einmal eine Kurzfassung:
Wohlhabende Kommunen, können es sich leisten ihre Infrastruktur auf dem neusten Stand zu halten ohne Kredite aufzunehmen und dabei noch die Steuerhebesätze niedrig zu halten. Das ergibt eine doppelte Attraktivität aus hoher Qualität zu niedrigen Preisen, sprich Steuern und Gebühren, mit dem Effekt, dass sich dort noch weiteres Gewerbe ansiedelt und weitere Menschen zuziehen. Für die Kommunen, die am anderen Ende der Einkommensskala stehen, gilt genau das Gegenteil, ein Teufelskreis, aus dem nur schwer zu entkommen ist.
Und damit bin ich nun in meiner Zug-Analogie bei den Schienen angelangt, auf denen unsere Bahn sich bewegt. Die sind so etwas wie die Rahmenbedingungen, mit denen eine Stadt zurecht kommen muss. Gesetzt werden diese Rahmenbedingungen von Bund und Land und man muss sich mittlerweile ernsthaft die Frage stellen, ob dort wahrgenommen wird, welches Problem das Auseinanderklaffen der Schere zwischen armen und reichen Kommunen mittlerweile für die kommunale Selbstverwaltung darstellt. Den Städten und Gemeinden in Baden-Württemberg geht es gut, das Land steht gut da und hat mit dem Pakt mit den Kommunen eine deutlich bessere Finanzausstattung weiter gegeben. Natürlich hat auch Leimen davon profitiert, genauso wie von der erheblichen Aufstockung der Mittel für die Kleinkindbetreuung, aber die Lücke zwischen armen und reichen Kommunen wurde dadurch nicht geschlossen. Die Reform des kommunalen Finanzausgleichs ist eine Maßnahme, die die nächste Landesregierung unbedingt auf der Agenda haben muss und dann wird sich einmal mehr die Frage der Solidarität stellen. Man darf gespannt sein, wie das ausgeht, wenn denn die Diskussion geführt wird.
Aus Leimener Sicht wäre das dringend nötig, denn die Reise unseres Zuges wird nicht nur vom Zustand des Zuges selbst bestimmt und von den Schienen, sondern natürlich auch vom Gelände, also dem wirtschaftlichen Umfeld, von dem man sich als Gemeinde genauso wenig abkoppeln kann wie ein Zug von Berg und Tal. Und da sieht es so aus, dass wir in Deutschland und besonders hier in BadenWürttemberg wirtschaftlich schon seit Jahren durch einen duftenden Rosengarten tuckern. Das ist ein bisschen so easy living wie bei Jim Knopf und Emma auf Lummerland, eine Zeit, in der man Kräfte sammeln kann für schwierige Zeiten.
Einigen Kommunen gelingt das durchaus vor allem in Baden-Württemberg wo die Gemeinden im Bundesvergleich noch relativ gut da stehen. Hier in Leimen zeigen uns die Zahlen nichts wirklich ermutigendes, wenn man davon ausgeht, dass das gegenwärtige konjunkturelle Hoch auch irgendwann einmal endet. Und wenn man über den deutschen Tellerrand hinaus blickt, dann gibt es durchaus innerhalb Europas und in angrenzenden Regionen viele kritische Entwicklungen, die uns Sorgen bereiten müssen.
Aber für einen Abschwung sind wir nicht wirklich gut gerüstet. Trotz der guten Rahmenbedingungen wächst unsere Verschuldung weiter nahezu ungebremst. Und das obwohl wir in den vergangenen Jahren daneben auch im Inventar Abstriche gemacht haben. So wurden auch die Eigenbetriebe kapitalmäßig auf Null gefahren und Verschulden sich nun parallel zur Stadt weiter. Dabei ist Verschuldung an und für sich nicht das Problem, besonders in Zeiten niedriger Zinsen. Wenn mit den eingesetzten Mitteln Werte geschaffen werden, die die Stadt für die Zukunft besser aufstellen, dann können sie durchaus Sinn machen. Nur leider haben wir in den vergangenen Jahren beobachten müssen, dass die steigende Verschuldung einher ging mit einer Abnahme des Vermögens. Das ist eine bedenkliche Entwicklung, besonders wenn man sie in die Zukunft fort schreibt. Das ist, um zu meiner Zuganalogie zurück zu kommen, als würde man Stück für Stück die Wagen verheizen, um den Zug am laufen zu halten.
Ein Aspekt der in den vergangenen Jahren immer wieder im Vordergrund stand waren die GrundstücksverkaÅNufe der Verwaltung, weil sie einerseits einen Vermögensverzehr bedeuten und andererseits nie mit der Realität übereinstimmten und Einnahmen vorgaukelten, die faktisch nie erzielt werden konnten. Heute weist man stolz darauf hin, dass sich das deutlich gebessert hat. Dass man mit geringeren Einnahmen plant und damit näher an der Realität. Das ist auch anerkennenswert und dringend nötig, um eine allzu harte Landung zu vermeiden. Denn auch auf diesem Gebiet müssen wir der Realität ins Auge schauen, und die bedeutet, dass wir natürlich unsere attraktivsten Grundstücke und Liegenschaften bereits verkauft haben und sich unter dem Rest nur noch wenig findet, das zu guten Preisen veräußert werden kann. Ganz abgesehen davon, dass man auch die Politik der GrundstücksverkaÅNufe grundsätzlich in Frage stellen kann.
Was ergibt sich nun aus all dem für unsere Reise in die Zukunft? Man kann den Beteiligten den guten Willen nicht absprechen die Problematik ernsthaft anzugehen, und auch an Ideen mangelt es nicht. Das Problem, das wir sehen liegt eher darin, dass viele der Maßnahmen, die eingeleitet werden eher Mittel- bis langfristig wirken, wenn überhaupt, und dass noch keineswegs sicher ist, dass sie dann auch ausreichen, selbst wenn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wieder schwieriger werden. Das erinnert mich ein wenig an die Anstrengungen der Weltgemeinschaft hinsichtlich des Klimawandels, wo es auch viele Ideen und Konzepte gibt und das eine oder andere schön umgesetzt wird, aber auch hier darf bezweifelt werden, ob es genug und vor allem schnell genug wirkt.
Wir haben in diesem Jahr Schritte in die richtige Richtung gemacht, aber es werden im kommenden Jahr noch weitere folgen müssen, damit wir vielleicht in absehbarer Zeit einen Haushalt vorliegen haben, dem wir mit gutem Gewissen zustimmen können. Dieser Haushalt spiegelt noch in vielen Bereichen etwas wieder, mit dem wir nicht übereinstimmen, das in Teilen auch bedenklich ist. Dennoch werden wir diesmal dem Haushalt zustimmen, um deutlich zu machen, dass wir hinter den Anstrengungen stehen, die gerade auch in diesem Jahr unternommen wurden.
Wir danken der Kämmerei für die Unterlagen und den Kollegen der anderen Fraktionen für die guten Diskussionen.“
Ralf Frühwirt