Sehr geehrte Damen und Herren,
ich habe meine letzte Haushaltsrede unter dem Blickwinkel gehalten, unseren damals noch neuen OB mit seinen Vorgängern zu vergleichen, insbesondere was das für unsere Haushalte bedeutet. Lassen Sie mich diese Geschichte heute mit den Erkenntnissen eines weiteren Jahres und der Vorlage eines weiteren Haushaltsentwurfes fortschreiben.
Ich bin im vergangenen Jahr nicht nur auf die nackten Haushaltszahlen eingegangen, ich habe auch darauf verwiesen, dass ein OB auch immer einen wesentlichen Einfluss auf den Umgang mit Bürger*innen, Verwaltung und Gemeinderat hat. Als Beispiel habe ich damals die strittige Rathausplatzbebauung angeführt. Es stand zu diesem Zeitpunkt noch nicht fest, ob ein Bürgerentscheid durchgefüht werden würde, noch weniger wie er ausgehen würde. Mittlerweile sind wir schlauer. Die Bürger*innen haben ein eindeutiges Votum abgegeben, anschließend hat ein runder Tisch mehrfach getagt, und dieser Prozess kam in der vergangenen Woche zum Abschluss. Sowohl der Ablauf des Bürgerentscheides wie auch der runde Tisch sind – von kleineren Misshelligkeiten abgesehen – aus unserer Sicht vorbildlich abgelaufen, und können durchaus als Muster für ähnliche Prozesse in der Zukunft herhalten.
Allerdings hätte es so weit nicht kommen müssen, wäre man die Sache von Anfang an anders angegangen. Mitbestimmung von Bürger*innen über wichtige Entscheidungen gehört an den Anfang eines Entscheidungsprozesses, nicht ans Ende. Und hier erkennen wir leider bei OB Reinwald immer noch die Tendenz, Ideen im stillen Kämmerlein auszutüfteln, dann ein fertiges Konzept zu präsentieren, über das dann nur noch schnell abgestimmt werden muss. Das ist beim Rathausplatz schon schief gegangen und in anderen Bereichen gibt es Unruhe bei denen, die mitbekommen, dass da etwas geplant wird, von dem man aber nichts verbindliches weiß, und wo die Befürchtung herrscht, dass man vor vollendete Tatsachen gestellt wird. Ich nehme als Beispiel die künftige Nutzung der Alten Fabrik in St. Ilgen. Seit über einem Jahr gibt es Gerüchte über die künftige Nutzung des Erdgeschosses und angebliche Pläne für eine Gaststätte. Das erzeugt Unruhe und Widerstand. Ein offener Austausch mit den Betroffenen Vereinen und der interessierten Bevölkerung von St. Ilgen wäre unserer Ansicht nach die bessere Lösung.
Dasselbe gilt unserer Ansicht nach für die Landesgartenschau Leimen. Landesgartenschau Leimen fragt sich so mancher jetzt? Noch nie davon gehört! 50 000.-€ sind für eine Machbarkeitsstudie im Haushalt eingeplant. Das kann man ja durchaus machen, Landesgartenschauen sind schöne Ereignisse, die eine Stadt und ihr Umfeld aufwerten können. Aber eine Machbarkeitsstudie ist unserer Ansicht nach der zweite oder dritte Schritt. Zunächst sollte eine eingehende Information darüber stehen, welche Voraussetzungen räumlicher und finanzieller Art eine Stadt haben muss, um eine derartige Veranstaltung durchzuführen.
Dazu muss man keine 50 000.-€ ausgeben, dazu kann man Kommunen fragen, die solche Landesgartenschauen durchgeführt haben, zum Beispiel Öhringen, die gerade dran waren und uns sicher sehr aktuell über Kosten und Nutzen aufklären könnten. Oder man lädt BWgrün die Fördergesellschaft für die baden-württembergischen Landesgartenschauen zu einer öffentlichen Veranstaltung nach Leimen ein, um die Bevölkerung über ein solches Projekt zu informieren, das Leimen doch sehr prägen würde. Wir haben gerade in Mannheim die langwierige, teils sehr hitzige Diskussion über die Bundesgartenschau erleben dürfen. Dem kann man sicher dadurch entgehen, dass man mit den Menschen diskutiert, ohne schon Tatsachen geschaffen oder Geld ausgegeben zu haben.
Damit habe ich nun schon eine Zahl genannt, die uns in diesem Haushalt Probleme bereitet. Sie ist nicht die einzige und bei weitem auch nicht die größte. Aber sie ist auch ein Symptom für das, was unserer Meinung nach an diesem Haushalt falsch läuft. Es gibt seit letztem Jahr wieder viele gute Ideen aus dem Leimener Rathaus. Die bleiernen Jahre der Ernst-Zeit sind ganz offensichtlich vorbei und das ist auch gut so. Wir freuen uns, dass es heute einen OB gibt, der mit Kreativität und Engagement Leimen voranbringen will. Einerseits! Andererseits vermissen wir eine gewisse realistische Einschätzung der finanziellen Möglichkeiten unserer Stadt. Erst mal 50 000.-€ für einen großen Plan raus hauen, und dann mal gucken was draus werden kann, das kann man machen, wenn man dicke Festgeldkonten hat. Wir mit unserer enormen Verschuldung sollten das anders angehen, siehe oben.
Dass in Leimen ein gewaltiger Investitionsstau besteht, wird von niemandem bezweifelt, und dass wir auch Zukunftsinvestitionen tätigen müssen etwa in Kleinkindbetreuung oder in Schulen, damit wir in der Metropolregion als attraktiver Wohn- und Geschäftsstandort konkurrenzfähig werden, ist ebenso deutlich. Aber hier ohne einen Blick auf die Finanzen Geld auszugeben, als gäbe es kein morgen mehr, kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Wir können schlicht nicht alles, was in den vergangenen 50 Jahren an Instandhaltung und an Zukunftsinvestitionen versäumt wurde in zwei oder drei Jahren aufholen. Regierungskunst heißt hier nicht Geld auszugeben, das man nicht hat, mit der Hoffnung, dass es sich später schon irgendwie rechnen wird, sondern Prioritäten zu setzen. Das ist es, was wir in diesem Haushalt und auch im Hinblick auf die mittelfristige Finanzplanung vermissen.
Seit OB Reinwald in der Stadt ist, hört man dazu immer wieder das mittlerweile geflügelte Wort: „Man muss die Braut aufhübschen.“ Das klingt zwar erst einmal ganz nett, abgesehen davon, dass es schon ein Machospruch ist, aber man muss sich dabei schon fragen, wie nachhaltig eine Beziehung zu einer zwar hübschen aber bis über alle Ohren verschuldeten Braut ist, die noch dazu nicht weiß, wie sie mit Geld umgehen kann. Denn die Rechnungen, die bei den Shoppingtouren aufgetürmt werden, müssen dann doch irgendwann bezahlt werden. Allzu oft endet so etwas in der Privatinsolvenz und in der schnellen Scheidung. Übertragen auf Leimen bedeutet das, dass sich die Bürger*innen und Unternehmen, die wir mit der Aufhübschung anlocken genauso schnell wieder verabschieden, wenn wir das Niveau nicht halten können, weil wir irgendwann von unseren Schulden erdrückt werden.
Im Moment, das sollten wir nicht aus den Augen verlieren, leben wir in einem massiven und seit acht Jahren anhaltenden Aufschwung, der uns Jahr für Jahr steigende Steuersummen in die Kassen spült. Und die Verwaltung geht ausweislich des Finanzplans für die nächsten Jahre davon aus, dass das für die nahe Zukunft auch so weiter geht. Ob Gemeindeanteil an der Einkommensteuer, Gewerbesteuer oder den Schlüsselzuweisungen des Landes, überall wird mit teils deutlichen Zuwächsen gerechnet was nur dann klappt, wenn der Aufschwung immer weiter geht. Historisch betrachtet, ist schon der jetzige Boom außergewöhnlich lange. Davon auszugehen, dass die Naturgesetze der Wirtschaft außer Kraft gesetzt sind, und es nun ewiges Wachstum gibt, wäre fatal. Dennoch spekuliert man hier darauf, denn sonst müsste man anders agieren. Wir haben weder eigene Einnahmequellen, auf die wir zurück greifen können, noch gibt es irgendwelche Rücklagen, die noch anzuzapfen wären. Auch dies zeigt sich in der mittelfristigen Finanzplanung. In diesem Jahr entnehmen wir der Rücklage noch 1,4 Mio., nächstes Jahr noch 12 600.-€, übernächstes noch 16 000.-€ und dann ist sie offensichtlich leer.
Ein ähnliches Bild zeichnet sich bei der Veräußerung von Grundstücken ab. Dieses Jahr stehen noch 2,6 Mio. im Plan, den wir nebenbei bemerkt nie erfüllen konnten, 2021 steht auch hier eine 0. Das trägt der Tatsache Rechnung, dass dann auch hier kaum noch Verwertbares vorhanden sein wird. Das sind nicht die besten Voraussetzungen, um mit einer auch noch so kleinen Krise fertig werden zu können. Da muss man noch nicht einmal mit Zinserhöhungen spekulieren, die uns beim derzeitigen Stand unserer Verschuldung endgültig den Hals abschnüren würden.
4,3 Mio. war der ursprüngliche Ansatz für die Kreditaufnahme in diesem Jahr. Im Laufe der Haushaltsberatungen stieg er auf 4,4 Mio., um jetzt auf 3,4 Mio. zu sinken. Grund dafür waren die guten Zahlen, die uns das Finanzministerium des Landes übermittelt hat. Deutliche Zuwächse bei den Schlüsselzuweisungen und dem Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer entlasten uns etwas. Dennoch sind 3,4 Mio. an neuen Schulden für uns deutlich zu hoch. Allenfalls könnten wir uns mit einer Neuverschuldung in Höhe der Tilgung von Krediten anfreunden, was sich auf ca. 1,4 Mio. belaufen würde. Dafür hätte man allerdings tatsächlich Prioritäten setzen müssen, und das eine oder andere Projekt – zum Beispiel die Sanierung des Rathauses St. Ilgen – anders angehen müssen. Daher können wir uns auch dem FDP-Antrag anschließen, die Mittel für dieses Projekt entsprechend zu kürzen.
Anders sieht es bei der Geschwister Scholl Schule aus. Den kurzfristigen Trend eines Rückgangs auf Landesebene sehen wir nicht als dauerhaft an, allenfalls als gewisse Marktbereinigung. Wir trauen der GSS zu ein attraktives Angebot zu machen, das auch entsprechende Schülerzahlen anspricht. Zieht man dazu noch die Tatsache in Betracht, dass sie die einzige Ganztagesschule im Stadtgebiet sein wird, und der Trend zur Ganztagesschule bei den Eltern weiterhin ungebrochen ist, haben wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Befürchtungen, dass die 3-Zügigkeit nicht erreicht werden kann.
Investitionen in Schulen und Kinderbetreuung sind unseres Erachtens unumgänglich wichtig, um eine Stadt attraktiv zu machen, aber auch hier ist durchaus darauf zu achten, das Notwendige vom Wünschenswerten zu trennen, wir haben das – leider erfolglos – beim Neubau des Ludwig-Uhland Kindergartens versucht. Hier, wie auch an anderen Stellen, hat sich offensichtlich die Mehrheit des Gemeinderates von der Ausgabefreudigkeit des Rathauses anstecken lassen und will sich nicht lumpen lassen, obwohl die kassen nicht voller sind, als vor zwei Jahren. Bei manchem Kollegen, der damals noch die Fahne der schwarzen Null hoch gehalten hat, verwundert dies doch sehr. Wenn dann noch, wie von der CDU, weitere Ausgabenforderungen kommen, die mit weiterer Ausweitung der Neuverschuldung finanziert werden sollen, dann muss man eigentlich einen Besuch bei Parteifreund und Ex-Finanzminister Schäuble empfehlen.
In dieselbe Kategorie fällt für uns auch der am runden Tisch besprochene Neubau einer Tiefgarage am Rathausplatz. Der ist nicht Bestandteil der mittelfristigen Finanzplanung, die auch ohne diese mindestens 5 Millionen von einer weiteren Neuverschuldung in Höhe von 15 Mio. bis 2021 ausgeht. Gut, dass dies unter Finanzierungsvorbehalt gestellt wurde, zumal vor einer solchen Entscheidung über Alternativen gesprochen werden muss. Ich hatte in meiner letzten Haushaltsrede dazu ausführlich Stellung genommen und rege hier nochmals an sich Expertenrat zur Mobilität der Zukunft einzuholen, bevor man sich hier in ein weiteres finanzielles Abenteuer sürzt.
Unter diesen Bedingungen sendet der vorliegende Haushaltsentwurf falsche Signale aus. Aus diesem Grund müssen wir auch in diesem Jahr den Haushalt ablehnen.
Wir danken der Verwaltung und insbesondere der Kämmerei für die vorgelegten Zahlen und die zeitnahen Aktualisierungen, die uns die Diskussion sehr erleichtert haben.