„Sehr geehrte Damen und Herren,
wir haben uns als GALL immer dafür eingesetzt, dass die Verabschiedung des Haushaltsplanes möglichst früh statt findet, also eher im November oder Dezember, statt wie früher oft erst im Februar oder März. Es hat lange gedauert bis wir dahin gekommen sind, aber seit einigen Jahren ist es eher die Regel als die Ausnahme. Deshalb wollen wir uns auch nicht beklagen, dass wir dieses Mal wieder spät dran sind, zumal man manchmal auch Erkenntnisse gewinnt, die man sonst verpasst hätte.
So haben sich mir gerade vor ein paar Tagen neue Einsichten aufgetan, und zwar auf dem Leimener Neujahrsempfang. Der vorsitzende Richter beim Verfassungsgericht Professor Doktor Harbarth hat sehr professionell und eloquent zu uns gesprochen. Gleich zu Anfang seiner Rede brachte er einen ziemlichen Knaller, der ihm die Aufmerksamkeit des Publikums sicherte. Es ging dabei um Gesundheit, die man sich zum Jahresbeginn gerne wünscht. Das reicht aber nicht, meinte er, denn auch die Passagiere der Titanic seien gesund gewesen und die Meisten waren nach der Begegnung mit dem Eisberg trotzdem tot. Als Verfassungsrichter nutzte er dieses Bild natürlich um auf die Risiken und Bedrohungen unserer Demokratie einzugehen.
Aber das Bild lässt sich auch in anderen Bereichen anwenden. Zum Beispiel auf den Klimawandel. Wenn man nicht gerade im Ahrtal wohnt, oder neben einem brennenden Wald in Brandenburg, dann kann man sich schon auf die eigene Gesundheit konzentrieren, oder die Energiekosten, und wenn es im Winter mal schneit, liegt der Gedanke nah, dass das alles nicht so schlimm ist.
Oder man kann das Bild auch auf das Leimener Stadtsäckel anwenden. Die Leimener Titanic dampft auf den Eisberg der Überschuldung zu, aber einstweilen ist es noch warm und trocken, man hört der Band zu und bestellt neue Drinks oder Tiefgaragen. Der Ausguck ist offensichtlich verlassen, oder der Kapitän hört einfach nicht zu.
Professor Harbarth benannte als einen der aktuellen Risikofaktoren auch die neuen Medien, die auch die Art der Kommunikation verändern. Interessant war, dass wir gerade wenige Minuten vor Herrn Harbarths Rede ein aktuelles Beispiel präsentiert bekommen haben. Da hielt Herr Reinwald seinen Jahresrückblick und machte dabei einen kleinen Exkurs in die Physik. Es ging dabei um einen großen Durchbruch bei der Fusionsenergie und er phantasierte, dass wir nun in wenigen Jahren vor einem Zeitalter unbegrenzter sauberer Kernenergie stehen. Ich weiß nun nicht, woher er seine Informationen bezieht, aber man hat den Eindruck, dass er nach der Überschrift nicht viel weiter gelesen hat. Solche Clickbait-Titel, die sensationelle Entwicklungen verkünden, dienen dazu die Aufrufzahlen im Internet und damit das Einkommen zu steigern. Inwiefern der Text dahinter etwas damit zu tun hat, steht dahin, und ist auch nicht so wichtig, denn vielen reicht der Titel, vor allem wenn er in ihr Weltbild passt.
192 Laser brachten mit einem Energieeinsatz von 2 Megajoule eine Fusion zustande, an deren Ende dann 3 Megajoule an Fusionsenergie frei wurden. Leider fehlt in der erstmal sehr positiven Gleichung die ganze Energie, die man zum Betrieb der Laser eingesetzt hat und das waren 300 Megajoule. Man muss also noch 100 Mal besser werden, bevor man mehr Energie gewinnt, als man insgesamt rein steckt. Selbst die Forscher, die das Experiment gemacht haben sagten, dass es noch mehrere Jahrzehnte dauert, bis man zu einer kommerziellen Anwendung kommen kann.
Warum habe ich das nun solange ausgeführt? Damit sich die Fake News, die auf unserem Neujahrsempfang weiter verbreitet wurden nicht in den Köpfen fest setzt? Sicher auch, aber der Hauptgrund ist eher, dass sich die Schlussfolgerungen, die manche aus solchen Fehlschlüssen ziehen, auch in unserem Haushalt wieder finden. Denn wenn wir bald supersaubere und superbillige Energie im Überfluss haben, dann müssen wir uns nicht heute auf den mühsamen Weg machen kleinteilig dezentral erneuerbare Energien zu installieren. Und genauso sieht die Haltung der Stadtverwaltung und unser Haushalt auch aus.
Oder man muss sich auch nicht bemühen um die Einsparung von Energie, weshalb man ohne mit der Wimper zu zucken, und ohne Alternativen in Betracht zu ziehen eine Klimaanlage für das neue Verwaltungsgebäude in den Haushalt schreibt. 735.000,– € die wir nicht haben für eine energiefressende und klimaschädliche Maßnahme, während wir zur gleichen Zeit ein Klimaschutzkonzept erstellen, für dessen Umsetzung uns hinterher das Geld fehlt.
Herr Reinwald ist in seiner Neujahrsrede auch auf den Klimawandel eingegangen und hat sinngemäß gesagt, dass wer diesen heute noch abstreitet, sich nicht auf der Höhe der Diskussion befindet. Zu diesem Zeitpunkt dachte ich mir „Fensterrede“, was man halt so sagt, wenn man weiß was erwartet wird. Denn dieser Haushalt, vor allem im Entwurf wie ihn die Stadtverwaltung uns vorgelegt hat, hatte so überhaupt nichts damit zu tun, dass man in unseren Rathaus – zumindest an entscheidender Stelle – die dringliche Notwendigkeit eines Umsteuerns begriffen hat. Die wenigen Lichtblicke wurden von den Fraktionen eingebracht und zäh, auch gegen den Widerstand von Herrn Reinwald hinein verhandelt. Ich komme später noch darauf zurück.
Aber zunächst kurz zum Umsteuern in finanzieller wie in inhaltlicher Sicht. Da fällt einem natürlich die Tiefgarage ein für die in diesem Haushalt 900.000,– € eingestellt sind, die wir nicht haben. So ähnlich wie bei der Klimaanlage hat man sich hier die teuerste Variante ausgesucht um das angebliche Parkplatzproblem zu lösen. 6 Mio. € für 44 Parkplätze, macht ca. 136.000,– pro Platz. In Heilbronn war vor kurzem der Spatenstich für ein Parkhaus für 600 Stellplätze, 200 davon für Elektrofahrzeuge für 16 Mio. €, macht 26.600,– € pro Stellplatz. Und dieses Parkhaus wird nicht leer stehen, und damit große Folgekosten produzieren, wie unsere Tiefgarage, denn um das Parkhaus herum wird es keine öffentlichen Stellplätze geben.
Aber nicht nur finanziell haben wir mit diesem Vorhaben die bisherige Marschroute in eine immer höhere Verschuldung nicht verlassen. Auch inhaltlich sind wir damit auf dem Holzweg. Wir entwickeln gerade ein Mobilitätskonzept mit einem erfahrenen Ingenieurbüro, das die Stärkung von Fuß- und Radverkehr, und die Verbesserung des ÖPNV befürwortet. Statt dessen machen wir mit einer weiteren Tiefgarage es bequemer mit dem PKW in die Innenstadt zu kommen, und fördern damit den Autoverkehr, während dann für andere Maßnahmen kein Geld mehr vorhanden ist. Es ist quasi symbolisch, dass der Treffpunkt Leimen eine Tiefgarage ist und nicht wie woanders ein Bürgerhaus.
Aber wenn wir schon beim Verkehr sind, gibt es doch Lichtblicke, die Überraschung durch die GALL eingebracht wurden. So hatten wir dieses Mal den Antrag gestellt, car sharing nach Gauangelloch zu bringen. Denn während es in Leimen und St. Ilgen schon seit Jahren ein car sharing Angebot gibt, das sich langsam aber sicher ausweitet, hat Gauangelloch das Henne und Ei Problem. Wo es kein Angebot gibt, gibt es keine Kunden, und wo es keine Kunden gibt, entsteht kein Angebot. Das kann dadurch durchbrochen werden, dass es ein Testangebot gibt, für dessen mögliches Defizit die Stadt aufkommt. Sollte nach einem Jahr genügend Kunden das Angebot nutzen, damit es für den Anbieter attraktiv ist, trägt es sich selbst. Ansonsten wird es wieder abgeschafft. Wir gehen davon aus, dass in Gauangelloch genügend Potential vorhanden ist. Ob es allerdings zu heben ist, das werden wir dann am Ende des Versuches wissen. Auf jeden Fall nehmen wir damit eine Idee unseres Verkehrskonzeptes schon vorweg. Dort steht nämlich zum motorisierten Verkehr: Er „bleibt weiter wichtig, (aber) nutzen statt besitzen“! Das ist genau das Konzept auf dem car sharing aufbaut. Jeder soll ein Auto haben wenn er es braucht, aber niemand muss sich dafür eines kaufen. Offensichtlich hat sich unser OB noch nicht mit unserem Verkehrskonzept auseinandergesetzt, denn er hat erfolglos gegen unseren Antrag gestimmt. Nun darf man hoffen, dass er den beschlossenen Antrag auch umsetzt und unseren Mitbürger*innen in Gauangelloch die Möglichkeit gibt das Konzept auszuprobieren.
Auch unser zweiter Antrag im Bereich Verkehr wurde von den anderen Fraktionen gut aufgenommen. Es geht dabei um die Planung des Radweges zwischen der Endstation der Straßenbahn und dem S-Bahnhof in St. Ilgen. Dieser Weg, an dem Schwimmbad, Sportstadion, Sporthalle, Realschule und zwei Kindergärten liegen, muss wenn man den Radverkehr fördern will unbedingt ausgebaut und ertüchtigt werden. Ein Konzept hat Michael Sauerzapf kurz bevor er die Stadt verlassen hat uns schon vorgelegt. Dieses soll in 2023 endgültig geplant werden, um 2024 umgesetzt zu werden. Die Mittel, die wir für die Planung vorgesehen haben, werden dafür nicht benötigt, da noch Reste aus dem Vorjahr übrig sind.
Mit dem dritten Antrag sind wir schon wieder beim Thema Tiefgarage. Allerdings nicht bei der Treffpunkt TG, sondern direkt daneben bei der Georgi Tiefgarage. Seit 2017 läuft Wasser hinein, und auch hier wurde wir bei der Klimaanlage sofort die große Lösung vorgeschlagen. Zu Millionenkosten Georgi Markt räumen, Tiefgarage neu abdecken und einen neuen Platz darauf machen. Seither verzögert sich die Maßnahme und nun steht die Maßnahme erst ab 2026 in der mittelfristigen Finanzplanung. So dringend wie es damals hieß, kann es also nicht sein. Trotzdem sind wir der Meinung, dass man das Eindringen von Wasser nicht unbedingt auf die leichte Schulter nehmen sollte, und jeder Hausbesitzer*in wird uns dabei zustimmen. Deshalb haben wir statt noch Jahre abzuwarten eine schnelle aber sehr begrenzte Abdichtung in dem kleinen betroffenen Bereich beantragt. Die Mehrheit des Gemeinderates stimmte uns zu und die Maßnahme lässt sich aus den allgemeinen Instandhaltungsmittel finanzieren, sodass auf unseren Finanzierungsvorschlag nicht zurück gegriffen werden musste.
Unser letzter Antrag bezog sich auf erneuerbare Energien. Und auch in diesem Bereich wartet man bisher vergeblich auf irgendeine Initiative von Seiten der Stadt. Deshalb haben wir nun beantragt, für Leimener Einwohner einen Zuschuss für die Beschaffung von Balkonsolaranlagen zur Verfügung zu stellen. Auch dieser Antrag ging mit Mehrheit des Gemeinderates durch. So erwarten wir, dass wir möglichst bald von der Stadt ein Konzept sehen, wie Bürger*innen den Zuschuss beantragen können. Man muss das Rad nicht neu erfinden, denn es gibt ja schon einige Kommunen die solche Bezuschussungen machen. 150.- € bekommt man für eine Anlage und mit 75.000,– € können damit 500 Anlagen gefördert werden. Das wäre ein kleiner Schritt um die Energiebilanz der Stadt in eine erneuerbare Zukunft zu drehen. Aber immerhin mal ein Schritt.
Insgesamt entstehen durch unsere Anträge maximale Mehrkosten für die Stadt in Höhe von 105.000,– €. Und wenn wir kostenträchtige Anträge stellen, dann kümmern wir uns auch darum, wo das Geld herkommen soll, und damit meinen wir nicht, dass die Stadt zur Bank geht und einen Kredit aufnimmt. Wir machen uns die Mühe, im Haushalt Posten zu finden, wo man etwas kürzen kann.
Dieses Mal mussten wir uns nicht groß anstrengen. Die schon mehrfach erwähnte Klimaanlage mit ihren Kosten von 735.000,– € war der Elefant im Raum. Natürlich wissen wir auch, dass es in Teilen des Rathauses, vor allem im Dachgeschoss und auf der Südseite sehr heiß werden kann, und dass unsere Mitarbeiter*innen darunter leiden. Aber aus dieser Tatsache den Schluss zu ziehen, dass die einzige Lösung ist, das gesamte Rathaus aufzubohren und das gesamte Haus zu klimatisieren, ohne sich Gedanken um praktikable und vielleicht auch günstigere Alternativen zu machen ist geradezu typisch für die Verwaltung. Gibt es ein Problem, geht man in den Laden und kauft sich halt was, am besten gleich die Luxusversion. Dem hat der Gemeinderat an dieser Stelle einen Riegel vorgeschoben und hat der Stadt nun den Auftrag gegeben, Alternativen für die Klimaanlage zu untersuchen. Wir sind gespannt.
Ich habe vorhin, als ich über Balkonsolaranlagen gesprochen habe gesagt, dass man im Bereich von Klimaschutz und erneuerbare Energien vergeblich auf Initiativen der Stadt wartet. Das stimmt nicht ganz, denn zum Glück haben wir seit einigen Monaten einen Klimaschutzmanager im Rathaus. Und der hat das lange brachliegende Feld nun begonnen zu beackern. Und erste konkrete Initiativen bekommen wir nun zu sehen. So geht die Klimakooperation, die wir unter TOP 5 beschlossen haben auf ihn zurück. Aber wie das mit brachliegenden Äckern so ist, man braucht viel Mühe um sie fruchtbar zu machen. Deshalb wird Herr Wurmbach hier die dringende Unterstützung des Gemeinderates brauchen.
Der Großteil seiner Arbeit liegt derzeit im Bereich der Wärmeplanung und in der Erstellung des Klimaschutzkonzepts. Diese sollen bis Ende 2023 oder bis Frühjahr 2024 fertig sein. Und diese beiden Konzepte enthalten, wie man zum Beispiel gestern bei einer Veranstaltung von GGG hören konnte auch jeweils einen Maßnahmenplan. Wenn wir die Konzepte, einschließlich auch dem schon erwähnten Mobilitätskonzept, ernst nehmen, dann ergeben sich daraus große Investitionen, die sich über Jahre hin ziehen, und nichts davon ist in der mittelfristigen Finanzplanung
vorgesehen.
Das bedeutet, dass auch dieser Haushalt weder finanziell noch klimapolitisch zukunftsfähig ist.
Eine Zustimmung können sie daher von uns nicht erwarten. Aber nachdem wir dieses Mal mit unseren Anträgen erfolgreich waren und dem Haushalt wenigstens einen kleinen positiven Spin geben konnten, werden wir uns dieses Mal enthalten.
Wir danken der Stadtverwaltung und insbesondere der Kämmerei für die zur Verfügung Stellung der wichtigen Zahlen und den dazu nötigen Erläuterungen, für die schnelle und umfassende Beantwortung unserer Fragen. Ich habe in meiner Rede häufig „die Verwaltung“ kritisiert. Wir haben hier in Leimen viele engagierte Mitarbeiter*innen, die sich für die Stadt einsetzen und großartige Arbeit leisten. Und ich gehe davon aus, dass diese wissen wen und was ich gemeint habe. Und falls nicht, man kann mich gerne fragen.
Ich danke auch unseren Kolleg*innen im Gemeinderat für die engagierte und intensive Diskussion. Und zum Schluss darf ich uns allen nach Professor Harbarth nicht nur Gesundheit wünschen, sondern auch eine funktionierende Demokratie, eine intakte Umwelt und eine Stadt, die auch in fünf Jahren noch ihre Aufgaben erfüllen kann.“
Ralf Frühwirt