Sehr geehrte Damen und Herren,
wir schreiben heute den 31.3.2011 und wir wollen heute einen Haushalt verabschieden, der eigentlich schon seit drei Monaten gültig sein sollte. Ein Viertel des Haushaltsjahres ist also schon vorbei, ehe die Entscheidung im Gemeinderat getroffen wird und bis er dann in Kraft tritt, werden noch weitere Wochen vergehen, wenn das Regierungspräsidium ihn denn genehmigt.
Man muss schon bis ins letzte Jahrtausend zurück denken, bis man auf einen Haushalt trifft, der ähnlich spät verabschiedet wurde, wie dieser. Dennoch frage ich mich bei manchen Zahlen, ob wir nicht einen Tag zu früh dran sind, mit unserer Haushaltsdebatte. Der erste April wäre vielleicht angemessener gewesen.
Es gibt selbstverständlich Gründe, für diese späte Verabschiedung. Der wichtigste war wohl der, dass die Verwaltung deutliche Anhebungen der Hebesätze für Grund- und Gewerbesteuer zur Haushaltssanierung vorgeschlagen hat, und damit auf erheblichen Widerstand bei einigen Fraktionen getroffen ist. Dass die Verwaltung sich überhaupt entschlossen hat, diesen unpopulären Schritt vorzuschlagen, zeigt, wie verzweifelt die Haushaltssituation mittlerweile ist. Man ist offensichtlich im Rathaus zu dem Schluss gekommen, dass man nun das tun muss, was vielleicht schon vor Jahren nötig gewesen wäre – Einnahmen und Ausgaben einander anzupassen – auch auf die Gefahr hin, dass man sich damit Ärger einhandelt. Was dann auch prompt geschehen ist.
Was folgte waren Sitzung auf Sitzung, bei denen mit den immer gleichen Argumenten darüber gestritten wurde, ob die geplante Anhebung der beiden Steuern auf jeweils 400 Hebesatzpunkte denn angemessen wäre, wie sie vermieden werden könnte, bzw welche Kompromisse man schließen könnte. Ein Argument war immer wieder, dass wir nicht Hebesätze wie Heidelberg erheben können, wenn wir nur eine Infrastruktur auf dem Niveau von Leimen zu bieten haben. Das kann man sicher so sehen. Allerdings sollte man dann auch erklären, wie wir unsere Infrastruktur auf dem gegenwärtigen Stand erhalten oder gar verbessern können – was dringend nötig wäre – wenn wir auf die geplanten Einnahmen verzichten. Darauf konnten die Kritiker der Steuererhöhungen keine praktikable Antwort geben.
Sicher gab es den einen oder anderen sinnvollen Kürzungsvorschlag oder andere Möglichkeiten der Einnahmeerzielung, zum Beispiel den Weiterverkauf überschüssiger Energie aus dem Bäderpark über ein Nahwärmenetz. Aber die Lücke, die ein Verzicht auf die Steuererhöhungen reißen würde, sind damit nicht zu stopfen. Das ginge nur durch einen weitgehenden Verzicht auf freiwillige Leistungen. Bäderpark, Musikschule, VHS, Stadtbücherei, Vereinszuschüsse, das alles kann man zur Disposition stellen, wenn man auf zusätzliche Einnahmen verzichten will. Ob aber nach einem solchen Kahlschlag Leimen für Menschen und Unternehmen noch attraktiv wäre, das wagen wir zu bezweifeln.
Niedrige Steuersätze sind nicht alles. Wer sich, aus welchen Gründen auch immer, entschließt, in eine neue Stadt zu ziehen, der wird sich nicht an den Grundsteuerhebesätzen orientieren, sondern daran, was die Stadt an Infrastruktur zu bieten hat. Die Ausstattung von Kindergärten, Schulen, Weiterbildungseinrichtungen, kulturelle und sportliche Angebote, Straßen, Radwege und ÖPNV, um nur einiges zu nennen. Das zieht Menschen an, aber es ist nicht zum Nulltarif zu haben. Gerade wenn man auch Menschen mit höherem Einkommen anziehen will, was die FDP mit Blick auf unseren Einkommenssteueranteil immer wieder angemahnt hat, benötigt man eine attraktive Infrastruktur und dafür müssen die nötigen Mittel vorhanden sein.
Noch eindringlicher als bei der Grundsteuer, wird das Gespenst der Abwanderung bei einer Anhebung der Gewerbesteuer an die Wand gemalt. Und selbstverständlich jammern Unternehmen oder die IHK immer, wenn eine Kommune diesen Schritt gehen will. Es wäre auch verwunderlich, wenn sie es nicht tun würden. Die Frage ist aber, ob die Steuer bei einer tatsächlichen Ansiedlungs- oder Abwanderungsentscheidung wirklich so relevant für ein Unternehmen ist. Für mich wäre dies eher fragwürdig. Sicher ist der Hebesatz der Gewerbesteuer ein Kriterium, aber eben nur eines unter vielen. Grundstückspreise, vorhandene Infrastruktur, Nähe zu Lieferanten und Absatzmärkten und nicht zuletzt die weichen Standortfaktoren spielen eine weit wichtigere Rolle. Denn diese sind mittel- bis langfristig planbar, während der Hebesatz sich jährlich ändern kann.
Für uns hat die reflexhafte Abwehr von Steuererhöhungen daher eher etwas mit Ideologie als mit der vorurteilsfreien Suche nach den besten Lösungen für die Stadt zu tun. Um es deutlich zu sagen, auch wir würden gerne auf Steuererhöhungen verzichten aber in der gegenwärtigen Lage sehen wir keinen Weg dahin, ohne entweder die Infrastruktur verkommen zu lassen, die freiwilligen Leistungen gegen Null zu fahren oder uns massiv weiter zu verschulden. Für uns sind Einsparungen und andere Einnahmen, wie sie im Laufe der Diskussion in den Gremien besprochen wurden auch keine Alternative zu den Steuererhöhungen. Wir müssen das Eine tun und dürfen das Andere nicht lassen.
Zum Ernst der Lage nur einige Zahlen. Trotz der eingeplanten Steuererhöhungen müssen wir mit einer negativen Zuführungsrate von 2,3 Millionen rechnen. Das bedeutet, dass ca. 6% unserer laufenden Ausgaben durch einmalige Einnahmen finanziert werden. Deutlicher kann einem die Tatsache, dass wir über unsere Verhältnisse leben, nicht ins Auge springen.
Und woher stammen nun diese einmaligen Einnahmen? Ein Teil soll aus der allgemeinen Rücklage entnommen werden. Laut Aussage der Stadt ist diese dann bis Nahe dem gesetzlichen Mindestbestand abgesunken. Der erste Topf, der nahezu geplündert ist und aus dem künftig kaum mehr etwas zu holen sein wird.
Dann gibt es da noch eine Kreditaufnahme. Dabei hat man zu einem bereits bewährten Trick gegriffen. Wieder einmal wird einem Eigenbetrieb Eigenkapital entzogen. Diesmal trifft es die Stadtwerke. Diese müssen 1,4 Mio. an die Stadt abgeben und dann ihrerseits einen Kredit von 1,2 Mio. aufnehmen. Damit sitzt dann auch der letzte bisher schuldenfreie Eigenbetrieb in der Schuldenfalle. Und wir alle wissen, dass auch dieser Topf damit leer ist. Künftig können die Eigenbetriebe zu solchen Deals nicht mehr heran gezogen werden.
Der nächste große Brocken sind die Grundstückserlöse. Ursprünglich waren sie auf knapp drei Mio. angesetzt. Wie wir aus der Vergangenheit wissen, eine reine Luftnummer. Mag sein, dass wir durch einen glücklichen Zufall einmal eine große Einnahme erzielen, wenn wir zum Beispiel den alten Sportplatz verkaufen können. Wahrscheinlich ist es nicht, nimmt man die Vergangenheit als Maßstab, wo regelmäßig weniger als die Hälfte der geplanten Erlöse auch tatsächlich eingegangen sind. Ob es wünschenswert ist, in großem Maße Grundstücke zu verkaufen ist die andere Frage. Damit laufende Ausgaben zu finanzieren ist in jedem Fall nicht nachhaltig, sondern kurz gedacht.
Wie wenig die Verwaltung auf die Zahl gibt, die den größten Brocken der Einnahmen im Vermögenshaushalt ausmacht, wurde im Laufe der Vorberatungen deutlich. Nachdem sinnvollerweise der Neubau des Ersatzplatzes aus dem Plan genommen wurde, kürzte man den Ansatz der Grundstücksverkäufe um denselben Betrag, nämlich 600 000.-Euro. Dann aber beschloss die Mehrheit des VA, die Gewerbesteuer doch nur auf 380 Punkte anzuheben, wodurch dem Haushalt ca. 300 000.-Euro fehlen, also hob man die Grundstückserlöse wieder um diesen Betrag an. Ich denke, man kann nun nachvollziehen, dass ich den Haushalt lieber am 1. April verabschiedet hätte, als heute.
Zusammengefasst gleichen wir den Haushalt also dadurch aus, dass wir die Rücklage weiter auswringen, den letzten Eigenbetrieb in die Verschuldung treiben und möglichst viel unseres Tafelsilbers auf den Markt werfen wollen. Und nächstes Jahr? Was bleibt da noch?
Das ewige Hoffen auf das Wachstum. Darin erschöpft sich ein Großteil der Wirtschafts- und Finanzkompetenz. Viele, auch hier in diesem Gemeinderat, gehen offensichtlich davon aus, dass die just überstandene Krise der Jahrhundertausrutscher der Weltwirtschaft war und dass es jetzt wieder fröhlich so weiter geht wie vorher. Ich muss sie dieser Illusion berauben. Ein realistischer Blick auf die Weltwirtschaft zeigt uns doch, auf welch wackligem Fundament wir uns bewegen. Was der nächste Auslöser sein wird, das weiß niemand, die Auswahl ist aber groß: Der Untergang des Euro, das Ende des Dollar, das Platzen der chinesischen Immobilienblase, die Verstrahlung des Großraums Tokio, die Talibanisierung Saudi-Arbabiens oder eine heute noch unbekannte Gefahr.
Auf diese Risiken haben wir hier in Leimen keinen Einfluss aber wir müssen uns von den unrealistischen Annahmen des ewigen Wachstums verabschieden, also endlich damit aufhören heute Geld auszugeben, das wir hoffen morgen durch eine bessere Wirtschaftsentwicklung wieder einzunehmen.
Vor diesem Hintergrund ist es geradezu tragisch, wenn eine Verbesserung bei der Gewerbesteuer 2011 nun sofort wieder ausgegeben werden soll, bzw. der Hebesatz 2011 nicht angepasst werden soll. Dazu möchte ich den geschätzten Kollegen nur noch eine weitere Zahlenfolge zur Kenntnis geben. Sie betrifft die Gruppierungsnummer 50-51, Unterhaltung der Grundstücke und baulichen Anlagen, es geht also um die Instandhaltung unserer Immobilien. Wer städtische Immobilien kennt, der weiß, dass hier einiges zu tun wäre. Die Entwicklung der letzten Jahre sieht aber so aus. 2008 umfasste dieser Ansatz fast 4 Mio., der schrumpfte 2009 um 300 000.-Euro, 2010 um weitere 600 000.-Euro und soll 2011 um weitere 300 000.-Euro auf dann 2,78 Mio. sinken. Wer der Auffassung ist, dass 30% weniger Aufwendungen für die Instandhaltung ohne Einfluss auf die Substanz bleiben, der soll bitte einmal kurz die Hand heben. (Anmerkung: Es gab keine Meldungen)
Das habe ich mir gedacht, also sind alle mit mir der Meinung, dass auch dies eine weitere Hypothek für die Zukunft ist. Und von den Netto 1,7 Mio. Gewerbesteuermehreinnahmen bleiben uns langfristig nur 200 000.-Euro. Auf diesem Hintergrund ist ein Verzicht auf die Anhebung der Hebesätze nicht machbar. Wir hätten eine Anhebung auf einen gleichen Hebesatz, sei es 400/400 oder je 390 für sinnvoller erachtet als 380/400.
Abschließend möchte ich noch sagen, dass mir die diesjährigen Haushaltsberatungen wenig Hoffnung für die Zukunft gemacht haben. Die Verwaltung hat sich als wenig kreativ, und zu lethargisch bei der Umsetzung von Vorschlägen aus dem Gemeinderat gezeigt. Oftmals kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Vorschläge die aus der falschen Ecke des Gemeinderates kommen – was fast alle Ecken umfasst – nicht oder nur sehr zögerlich bearbeitet werden.
Bei einigen unserer geschätzten Kollegen wiederum fürchte ich, dass ideologische Scheuklappen sie daran hindern unsere finanzielle Situation realistisch wahrzunehmen und die notwendigen Konsequenzen zu akzeptieren. Daher begrüßen wir den Vorschlag des Kollegen Sandner, bald eine Klausurtagung von Gemeinderat und Verwaltung durchzuführen.
Zum Schluss möchte ich mich bei den Mitarbeitern der Kämmerei für die bereitgestellten Zahlen bedanken.
Ralf Frühwirt