Rede zum Haushalt 2017

von | 24. November 2016

Sehr geehrte Damen und Herren,

dieses Jahr wurde in Leimen ein neuer OB gewählt. Ein neues Stadtoberhaupt bedeutet auch meist eine neue Ausrichtung der Politik. Nachdem ich auch schon seine zwei Vorgänger als aktiver Kommunalpolitiker begleiten durfte, bietet es sich an, an dieser Stelle ein wenig in die Vergangenheit abzuschweifen, auch weil sich daraus vieles für die aktuelle Situation unserer Stadt ableiten lässt, und sich Konsequenzen für die Zukunft ergeben.

In erster Linie bezieht sich eine neue Ausrichtung natürlich auf die Inhalte. Hier hat OB Reinwald in seinen ersten Monaten schon mal ein Zeichen gesetzt, indem er bei der Bebauung des Rathausplatzes im Gemeinderat ein neues Konzept durchgesetzt hat, ob sich dies auch bei der Bevölkerung durchsetzen lässt, steht dahin. Dazu später noch ein paar Worte. So mancher sieht in der Rathausplatzentscheidung schon die Rückkehr des Ehrbar-Style, eine Einschätzung, der wir uns, zumindest einstweilen noch nicht anschließen können. Wir erinnern uns, dass OB Ehrbar sehr viele Ideen für die Stadt hatte, die er ohne Rücksicht auf Verluste, manchmal auch ohne Konsultationen des Gemeinderates durchgesetzt hat. Vieles davon war nicht umsetzbar, und hat uns unter anderem einen Stadtkern beschert, an dessen Wiederaufbau wir noch heute zu arbeiten haben. OB Ernst dagegen hatte ein großes Projekt – das PPP-Schwimmbad – das er engagiert gepuscht hat, und das sich in der Folge als das größte Desaster der jüngeren Leimener Geschichte herausstellte. Danach, so der Eindruck, hat er sich zurück gezogen und seine ersten Bürgermeister machen lassen, was vielleicht nicht das schechteste war. Beide Ex-OBs taugen, nach Meinung der GALL in dieser Hinsicht nicht als Vorbilder.

Ein OB hat aber nicht nur großen Einfluss auf die Inhalte der Politik, sondern auch auf die Art und Weise, wie Politik gemacht wird, auf den Umgang miteinander. Damit ist der Umgang mit den Bürgern, der Verwaltung, aber auch mit dem Gemeinderat gemeint. Hier vertraten die beiden Vorgänger im wesentlichen diametral entgegengesetzte aber gleichermaßen abschreckende Auffassungen. Einerseits der kleine Sonnenkönig, der gerne im Volk badete, seine Verwaltung in Kasernenhofmanier führte, und gerne mal Aufträge verteilte, um sich im Gemeinderat Mehrheiten zu sichern. Auf der anderen Seite ein in der Öffentlichkeit weitgehend abwesendes Stadtoberhaupt, das seiner Verwaltung kaum Orientierung bot, und den Gemeinderat als lästiges Übel betrachtete. Einig waren sie sich nur darin, dass sie die Bürger zwischen den Wahlen lediglich als Staffage sahen und den Gemeinderat bestenfalls als nützliche Idioten. Auf diesem Gebiet gibt es unseres Erachtens noch viel Spielraum nach oben, und was den Umgang mit Kritik aus dem Gemeinderat angeht, können wir bei Herrn Reinwald eindeutig einen erwachsenen Umgang damit feststellen, der bei beiden Vorgängern nicht im Ansatz vorhanden war. Hoffen wir, dass das so bleibt. Im Umgang mit den Bürgern zeigt er mehr Volksnähe als sein Vorgänger, was an sich noch keine Kunst ist. Eine erste Bewährungsprobe sehen wir im Umgang mit dem möglichen Bürgerbegehren zur Rathausplatzbebauung.

Was im Zusammenhang mit einer Haushaltsverabschiedung natürlich am meisten interessiert, ist der Umgang mit den Finanzen. Herbert Ehrbar zeichnete sich durch grandiose Ignoranz gegenüber den finanziellen Möglichkeiten der Stadt aus. Er hatte seine Pläne, und die mussten halt irgendwie bezahlt werden, wie das hat nicht interessiert. Finanzielle Nachhaltigkeit war kein Thema. Wolfgang Ernst war sich – besonders nach dem Bad-Fiasko – der Probematik sehr wohl bewusst, aber außer stumpfem sparen fiel ihm nichts ein. Es fehlte an Perspektive und Engagement, die wir für deutliche Fortschritte benötigt hätten. Und Hans Reinwald? Als der erste Entwurf des Haushalts mit einer negativen Zuführung von 600 000.-€, mit einer Rücklagenentnahme in Höhe von 1,5 Mio. € und einer Kreditaufnahme von sage und schreibe 8,5 Mio. € auf unserem Tisch lag, da hat sicher einigen Gemeinderatskollegen der Atem gestockt. Damit wären auf einen Schlag die Gesamtschulden der Stadt um über 10% gestiegen, gemessen an der Zahl, die für Ende 2015 festgestellt wurde und die bei knapp 80 Mio. € inklusive der Eigenbetriebe und ohne die Wohnbaugesellschaft lag. Wobei auch die Eigenbetriebe weiterhin Kredite aufnehmen müssen. Bezieht man es nur auf den Kernhaushalt, hätte die Steigerung gar ca. 20% ausgemacht. Ein deutliches Bekenntnis zur Haushaltskonsolidierung sieht anders aus.

Nachdem die meisten Räte ihre gesunde Gesichtsfarbe tendenziell wieder zurück gewonnen haben, begannen engagierte Diskussionen, denn es war klar, dass dieser Haushaltsentwurf in der Form weder vom Gemeinderat verabschiedet werden würde, noch vom RP akzeptiert würde, das schon 2015 bei wesentlich geringerer gepanter Neuverschuldung mahnend den Finger hob: „Die vorgesehene Ausweitung der Verschuldung würde den finanziellen Handlungsspielraum der Stadt weiter einengen und angesichts der Ertragsschwäche des Verwaltungshaushalts die stetige Aufgabeneerfüllung gefährden.“ Das hat Herr Heinzmann in seinem Schlussbericht 2015 noch einmal aufgegriffen und zu Recht deutlich unterstrichen.

Wo sind wir also gelandet, nach mehreren Diskussionsrunden? Die nackten Zahlen sind deutlich besser als im ursprünglichen Entwurf, aber weit weg von gut. Die Zuführungsrate ist auf eine Mio. € ins Positive gerutscht, die Rücklagenentnahme hat sich marginal um 50 000.- € verringert und die Kreditaufnahme wurde auf 4,5 Mio. € reduziert. Das ist immer noch ca. 10% des aktuellen Schuldenstandes des Kernhaushalts.

Und wie konnte das erreicht werden? Die Antwort auf diese Frage wirft ein deutliches Licht auf unsere Möglichkeiten und Abhängigkeiten. Betrachten wir zunächst die Zuführungsrate. Sie war wie gesagt mit – 600 000.- geplant. Bis zum 10.11. konnte das auf – 300 000.- € gesenkt werden. Dabei waren kleine Maßnahmen, die aus der Verwaltung oder dem Gemeinderat kamen, aber der größte Brocken kam ohne unser Zutun zustande, nämlich 168 000.- aus der Senkung der Kreisumlage um einen halben Punkt. Endgültig ins positive gedreht wurde die Zuführungsrate aber durch das Land. Nachdem der Haushaltserlass des Landes, auf den wir lange warten mussten, dann endlich da war, wieß er uns erstaunlich positive Zahlen aus. Die Schlüsselzuweisungen erreichen nahezu die gleiche Höhe wie im vergangenen Jahr, als sie einen Spitzenwert markierten, und damit um 1,36 Mio. € mehr als geplant. Zusätzlich geht man von einer weiteren Senkung der Kreisumlage aus. Das zeigt deutlich, dass finanziell für uns gravierende Entscheidungen auf höheren Ebenen getroffen werden, die für uns nicht oder nur wenig beeinflussbar sind. Die Frage der kommunalen Selbstverwaltung muss hier einmal mehr gestellt werden.

Die deutlich verbesserte Zuführung half natürlich auch wesentlich die Kreditaufnahme um 4 Mio. € zu drücken. Der zweitgrößte Brocken war die Erhöhung der Grundstückserlöse um 1,5 Mio. €. Das macht diese in der Vergangenheit immer wieder grandios aufgeblähte Haushaltsstelle mit Abstand zum Haupteinnahmequelle des Vermögenshaushalts. Dieses Ersatzdeckungsmittel, bedeutet einen Vermögensverzehr, um notwendige Investitionen schultern zu können. Wir sind heute weit davon entfernt, unsere Aufgaben aus den Überschüssen des des Verwaltungshaushaltes bestreiten zu können, so wie es eigentlich gedacht ist. Die Frage, unsere Grundstücke in Erbpacht zu vergeben, um auch langfristig Vermögen zu erhalten kann schon gar nicht mehr diskutiert werden. Und bald wird sie mangels Masse ohnehin obsolet. Der dritte große Posten, der unsere Verschuldung drückt, ist die Verschiebung des Neubaus des Ludwig-Uhland Kindergartens, der uns 900 000.- € bringt. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Wir werden diesen Kindergarten brauchen, und so bringt uns dieses Manöver nur eine Atempause aber keine dauerhafte Entlastung, denn Kindergärten gehören wie Schulen zu den zentralen Standortfaktoren einer Kommune. Wer attraktiv für Familien werden oder bleiben will kann es sich auf Dauer nicht leisten hier ins Hintertreffen zu geraten. Die erzielten Verbesserungen bei der Kreditaufnahme setzen sich also im wesentlichen zusammen aus Einnahmesteigerungen von Dritten aufgrund der guten Wirtschaftslage, fraglichen Verkaufserlösen und Einsparungen, die wir uns eigentlich nicht leisten können.

Der Haushalt ist zu Klarheit und Wahrheit verpflichtet. Im Gegensatz zu den Ehrbarjahren hat es diesbezüglich in den letzten Jahren eine erfreuliche Entwicklung in Richtung „what-you-see-is-what-you-get“ gegeben. Und auch hier stellt sich die Frage, wie die Entwicklung in den kommenden Jahren verlaufen wird. Damit komme ich auf die Rathauspatzbebauung zurück. Der jüngst getroffene Beschluss bedeutet andere finanzielle Belastungen für die Stadt, insbesondere für die geplante Tiefgarage. Selbst wenn diese im kommenden Jahr noch nicht gebaut oder bezahlt werden muss, beeinflusst sie die mittelfristige Finanzplanung doch erheblich. Und welche langfristigen Belastungen durch Tiefgaragen auf uns zukommen, das sehen wir gerade in diesem Haushalt bei der Georgi-Tiefgarage. 2 Mio. € stehen für die Sanierung im Plan. 2 Mio. die wir lieber in Bildung investiert sehen würden. Das bedeutet, dass zu den jährlichen laufenden Defiziten unserer Tiefgaragen – im aktuellen Plan ca. 130 000.- € – immer wieder große Summen für die Instandhaltung aufgewendet werden müssen. Und nun binden wir uns einen weiteren Defizitbringer ans Bein. Die GALL hat in der Vergangenheit immer wieder versucht, durch moderate Erhöhungen der Parkgebühren wenigstens die jährlichen Defizite zu verringern. Das wurde immer wieder abgelehnt, mit der Begründung, dass zu hohe Kosten die Attraktivität des Leimener Stadtkerns reduzieren. Einmal abgesehen von der Frage, wie stichhaltig diese Argumentation ist, darf man weitergehend auch die Frage stellen, ob fahrende und parkende Autos insgesamt die Attraktivität eines Stadtkerns nicht eher reduzieren.

Statt also die Verkehrsprobleme von heute mit den Rezepten von gestern anzugehen, sollten wir über Lösungen von morgen nachdenken. In größeren Städten geht die Nutzung von privaten PKW besonders unter jungen Menschen schon heute zurück. Das Auto verliert seinen Prestigefaktor, es wird zunehmend als Mittel zum Zweck der Fortbewegung angesehen. Darauf reagieren bereits die großen Hersteller, mit deren Einstieg ins car-sharing das Teilen von Autos aus der Nische geholt wird. Und spätestens mit der Verbreitung von digital vernetzten autonom fahrenden Fahrzeugen wird sich in der Frage der Nutzung von Mobilität eine Zeitenwende vollziehen. Wir hatten in der Vergangenheit immer wieder Verkehrsgutachten, die den status quo abgebildet haben, und unverändertes Nutzerverhalten auf die Zukunft fortgeschrieben haben. Sinnvoll wäre es jetzt, sich mit der Mobilität der Zukunft zu befassen, und uns Expertenrat einzuholen, wie Leimen hier Vorreiter werden kann. Von unserer Lage in der Metropolregion und unserer Verkehrsanbindung haben wir beste Voraussetzungen.

Wir haben im vergangenen Jahr angeregt, sich bei einer nächsten Runde einer Haushaltsstrukturkommission darüber zu unterhalten welche Einflüsse welche Maßnahmen einer Kommune auf Einnahmeblöcke wie den Einkommenssteueranteil, die Gewerbesteuer oder die Grundsteuern haben. Das ist nicht geschehen, trotz der gewaltigen Herausforderungen dieses Haushalts. Auch hier fehlt uns im alltäglichen Klein-Klein die Bereitschaft und der Mut grundsätzliche Diskussionen zu führen.

Lassen Sie mich noch ein letztes Mal auf die Rathauspatzbebauung zurück kommen. Eine der jüngsten Veränderungen im Haushaltsentwurf sind die 15 350.-€ für das mögliche Bürgerbegehren zu dieser Entscheidung. Es ist gut und richtig, dieses Geld einzuplanen, und damit den Bürgern zu signalisieren, dass man ihr Engagement ernst nimmt. Es gab in den vergangenen Jahren bereits einmal – beim Verkauf des alten Sportplatzes – den Versuch eines Bürgerbegehrens. Damals musste man den Eindruck gewinnen, dass sich Verwaltung und Gemeinderat nicht vom Bürger in Frage stellen lassen wollen. Es wurde eine Chance verpasst, mit den Menschen in Leimen über Kommunalpolitik, über die Frage wie und warum Entscheidungen fallen ins Gespräch zu kommen. Statt sich ängstlich hinter Formalia zu verstecken, hätte man die Kraft der Argumente sprechen lassen können. Sollte das Bürgerbegehren die nötigen Quoren erfüllen, haben wir diesmal die Gelegenheit es besser zu machen, und wo immer wir in der Frage der Rathauspatzbebauung inhaltlich stehen, sollten wir das Engagement der Menschen in Leimen sich für ihre Stadt einzusetzen begrüßen.

Wir stehen vor einem Haushalt mit enormer Neuverschuldung, mit gravierenden Unsicherheiten bei Einnahmen und Ausgaben. Dennoch drängt sich uns der Eindruck auf, dass Rat und Verwaltung nicht bereit sind, grundsätzliche Entscheidungen zu treffen. Und selbst bei so mancher kleiner Maßnahme, wie zum Beispiel bei unserem Vorschlag zur Wassergebühr gab es keine Mehrheiten für finanzielle Verbesserungen. Aus diesen Gründen müssen wir den vorliegenden Haushalt ablehnen.

Wir danken der Verwaltung und insbesondere der Kämmerei für die vorgelegten Zahlen und die zeitnahen Aktualisierungen, die uns die Diskussion sehr erleichtert haben.